PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Lager am Militärflughafen Fliegerhorst Goslar



Verwaltung
12.07.2015, 09:50
Die Lager am Militärflughafen Fliegerhorst Goslar – Zwangsarbeit,

KZ-Außenlager, SS-Ausbildung und Displaced Persons

Wolfgang Janz, Hahndorf, zum Gedächtnis

1. Gedenkstein an der Grauhöfer Landwehr

Am 21.6.2002 wurde in Anwesenheit von Bürgermeister Rüdiger Wohltmann, Mitgliedern des
Rates der Stadt Goslar, dem Kommandeur des benachbarten Fliegerhorstes, interessierten
Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitgliedern des initiierenden Vereins Spurensuche Goslar e.V.
(heute Spurensuche Harzregion e.V.) ein neuer Goslarer Gedenkstein eingeweiht. Er steht an der
Einmündung der Stapelner Straße in die Grauhöfer Landwehr auf dem Flurstück „Magdeburger
Kamp“ und erinnert daran, dass sich auf dem Gelände über zwei Jahre ein Außenkommando des
Konzentrationslagers Buchenwald befand. Für eine solche Gedenkstätte hatte sich Wolfgang
Janz, Hahndorf († 2014), lange eingesetzt, daher widmen wir ihm diesen Beitrag.
Eine metallene Platte gibt über den Sachverhalt nur unscharf Auskunft – die Häftlinge mussten
u.a. auf dem nahen, militärisch genutzten Fliegerhorst und in der Sandgrube Hahndorf
Zwangsarbeit leisten. Eine präzisere Formulierung wurde uns seinerzeit von der
Kulturausschussvorsitzenden, die den Stein politisch zu bewilligen hatte, nicht gestattet –
offenbar aus falsch verstandener Rücksicht auf die Bundeswehr, wie sie andeutete. Dabei wäre
dieser Gedenkort eine große Chance für die politische Bildung der Soldaten gewesen.

Der KZ-Gedenkstein Bassgeige
14227


2. Zwangsarbeiterlager und Außenkommando Goslar des KZ Buchenwald

1927 war in Goslar ein ziviler Flugplatz eingeweiht worden (GIESECKE 2010), der nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten sukzessive militärisch zu einem Fliegerhorst aufgerüstet
wurde (SCHYGA 1999). Für die Arbeiten wurden anfangs zunächst freiwillige Fremd- und
später Zwangsarbeiter eingesetzt, für die ein „Arbeiter-Baracken-Lager“ an der nordwestlichen
Peripherie des Fliegerhorstes unmittelbar an der Grenze der Goslarer Feldmark errichtet wurde.
Grundeigentümer der Flächen für den Barackenkomplex war das Klostergut Grauhof. Über
dieses Lager sind bisher kaum Details bekannt.

Hinweise auf die Anzahl der während der NS-Zeit auf dem Fliegerhorst beschäftigten
ausländischen Arbeitskräfte finden sich in verschiedenen Quellen. In einem Verzeichnis der
erteilten Aufenthaltserlaubnisse für den Zeitraum von November 1938 bis Ende April 1944 sind
insgesamt 87 Personen unterschiedlicher Nationalitäten aufgelistet, die mit einer Arbeitstätigkeit
auf dem Fliegerhorst in Verbindung zu bringen sind (StA GS RR VII/37/2). 44 stammten aus
Ungarn, 16 aus Danzig, 13 aus Slowenien, 5 aus der Tschechoslowakei, der Rest aus Rumänien,
Jugoslawien, Ostmark, Türkei, Polen und Italien. Der älteste war bei der Ankunft 60, der jüngste
16 Jahre alt. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Bau- und Bauhilfsarbeiter, Erdarbeiter und
Tiefbauarbeiter, den Rest bilden die Berufsgruppen Schuhmacher, Maurer, Maler, Eisengießer,
Schmied, Schneider und Haushaltshilfe. 32 dieser Zwangsarbeiter waren im Barackenkomplex
und 42 direkt auf dem Fliegerhorst untergebracht. Belegt ist außerdem die Unterbringung von 14
Zwangsarbeitern in Privatquartieren.

Dr. Peter Schyga machte am 9.10.1997 im Zuge eines Vortrags über den aktuellen Kenntnisstand
„Goslar 1918 - 1945" (GZ 1997) Angaben für den Zeitraum 1940 bis 1945 – seinerzeit waren auf
dem Fliegerhorst insgesamt 232 Zwangsarbeiter beschäftigt. Die Belegung der Baracken für den
Fliegerhorst gab Schyga mit 253 Personen an (nach GIESECKE 2010).

Nach FIEDLER & LUDEWIG (2003) waren auf dem Fliegerhorst Goslar während der NS-Zeit
insgesamt ca. 500 Arbeiter unterschiedlicher Nationalitäten untergebracht. Die Autoren nennen
154 Italiener, 140 Polen, 80 Russen, 50 Ungarn, 44 Franzosen, 35 Slowenen, 23 Holländer, 8
Belgier sowie freiwillige Arbeiter.

Wann das Barackenlager eingerichtet wurde, ist noch unklar, doch wahrscheinlich bestand es
bereits seit Beginn der Bauphase des Fliegerhorsts. Die an der nordwestlichen Peripherie des
Fliegerhorstes befindlichen Baracken, die zur Unterbringung der Zwangsarbeiter diente, sind
erstmalig auf einem undatierten Lageplan dargestellt, der das Fliegerhorstgelände nach der
Bebauung 1936 zeigt. Da auf diesem Lageplan auch das unmittelbar südwestlich des
Barackenkomplexes befindliche und aus drei Einzelgebäuden bestehende Vorwerk Grauhof
eingezeichnet ist, das nachweislich erst im Sommer 1938 errichtet wurde (GZ vom 7.3.1938 ), ist
der Plan wohl um Jahresmitte 1938 einzuordnen. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der
militärische Flugbetrieb aufgenommen. Im Sommer 1938 wurde das neue Vorwerk einschließlich
neuer Scheune aufgebaut – ein Schafmeister mit seiner Schafherde war bereits eingezogen
(GIESECKE 2010).

Fliegerhorstgelände nach der Bebauung 1936:
A Barackenkomplex; B Vorwerk Grauhof
14228


Nach Luftbildbefund 1944 und 1945 lagen jeweils zwei 20 x 10 m große Baracken
nebeneinander und waren durch ein gemeinsames Dach miteinander verbunden. Entlang der
Straße lagen vier solcher Doppelbaracken nebeneinander. In den benachbarten Baracken waren
während der Kriegszeit wohl Zwangsarbeiter untergebracht. Die südlich gelegene, langgestreckte
L-förmige Baracke wurde als Küche und Kantine genutzt. Die räumliche Lage des
Lagerkomplexes zeigt Abb. 3, in der ein historischer Luftbildausschnitt einer Befliegung vom
9.5.1944 und ein aktueller Luftbildausschnitt gegenüber gestellt sind.

Situation 1945 und aktuelle Situation, dokumentiert durch Luftbildausschnitte
14229


In der nördlichsten Doppelbaracke bestand vom 24.11.1940 bis 7.12.1942 mit
Unterbrechungen ein Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald, dessen
Insassen mehrheitlich für die Neubauleitung des SS-Infanterie-Ersatz-Bataillons Nord,
Goslar, aber auch die Fliegerhorstkommandantur sowie später für das Baugeschäft
Maibaum arbeiten mussten. Nach Aussage von Zeitzeugen war diese Baracke mit Stacheldraht
und elektrischem Zaun gesichert. In diesem Goslarer Außenkommando waren von November
1940 bis März 1941 anfangs 140, dann durchschnittlich 80 und später etwa 30 bis 40 Häftlinge
interniert. Die Häftlinge waren Deutsche, Polen und „Zigeuner", die Rodungs- und Erdarbeiten
und Arbeiten auf dem Fliegerhorst durchführen mussten. Die tägliche Arbeitszeit betrug maximal
11 Stunden und 15 Minuten. Ab 10.6.1942 wurde durch einen Brief der Kommandantur des
Konzentrationslagers Buchenwald auch mindestens fünf Stunden Sonntagsarbeit angeordnet,
denn: "Die derzeitige Kriegslage zwingt dazu, die Arbeitskräfte der Häftlinge bis zum letzten
auszuschöpfen."

Goslar im Lagerkosmos Buchenwald
14230


Anfang 1941 wurden die Häftlinge Walter Krämer und Karl Peix aus dem Konzentrationslager
Buchenwald in das Außenkommando Goslar überstellt. Beide gehörten im Konzentrationslager
Buchenwald zur illegalen Widerstandsorganisation und arbeiteten aktiv gegen die SS. Walter
Krämer war Kapo (Kameradschaftspolizist) im Krankenrevier von Buchenwald, Karl Peix als
"Vorarbeiter" seine rechte Hand. Weil sie sich in Buchenwald weigerten, sowjetische Kriegs-
gefangene als TBC-krank einzustufen, was deren sofortige Ermordung nach sich gezogen hätte,
fielen sie bei der SS in Ungnade. Da die beiden in Buchenwald sehr angesehen und beliebt waren
und zudem kritische Wissensträger waren, wagte die SS nicht, sie in Buchenwald zu ermorden
und schickte sie in das Außenkommando Goslar. Walter Krämer wurde in Goslar dem
"Kiesgrubenkommando Hahndorf" zugeteilt, Karl Peix dem "Küchenkommando" auf dem
Fliegerhorst. Am 6.11.1941 wurden Walter Krämer und Karl Peix fast zeitgleich "auf der Flucht
erschossen". Für den Mord an Krämer gab es einen jugendlichen Zeitzeugen (JANZ 2010). Die
Leichen der Ermordeten wurden noch am gleichen Tag nach Buchenwald zurück transportiert
und dort im Krematorium verbrannt.

Walter Krämer
14231

Phantasiezeichnung zum Tod von Karl Peix (www.puk.de)
14232


Am 22.10. oder 7.12.1942 wurde das Goslarer Außenkommando des Konzentrationslagers
Buchenwald geschlossen und die 10 verbleibenden Häftlinge nach Buchenwald zurück
transportiert.

Wo sich das in den Akten mehrfach erwähnte, offenbar erst 1941 eingerichtete „Russenlager“
befand, konnte noch nicht geklärt werden, offensichtlich aber innerhalb des Fliegerhorsts und
nicht im Bereich des Arbeiter-Baracken-Lagers an der Landstraße.


SS-Barackenlager Hahndorf

350 m nördlich hiervon befand sich unmittelbar westlich an der Verbindungsstraße zwischen
Fliegerhorst und Güterbahnhof Grauhof ein Ausbildungslager der Waffen-SS. Grundeigentümer
war das Klostergut Riechenberg. Ab 1.8.1939 wurde eine erste Teilfläche, die verwaltungsmäßig
zum im Landkreis Goslar befindlichen Gemeindegebiet von Hahndorf gehörte, von der
Klosterkammer Hannover an das Reich verpachtet. Darauf wurde aus mit der Reichsbahn
angelieferten Fertigteilen das Barackenlager errichtet, das aus 18 langgestreckten, ca. 55 m
langen und ca. 15 m breiten sowie 4 etwas kleineren Baracken bestand. Die Baracken des Lagers
waren teilweise unterkellert. Auf der der Südseite des Lagers befand sich im Keller der
Küchenbaracke das zentrale Lagerheizwerk. Die Heizungsanlagen waren in einem ca. 6 - 7 m
tiefen Keller installiert. Die vier auf der Nordseite des Lagers gelegenen Baracken dienten zur
Unterstellung des Fahrzeugparks und als KFZ-Werkstätten – daher verfügten sie über zahlreiche
Montagegruben. Die übrigen Baracken dienten als Ausbildungs- und Unterkunftsgebäude. In der
Nordwestecke des Lagerkomplexes befanden sich ein Wasserwerk sowie eine Kläranlage. Die
aus der Westseite des Geländes gelegene Freifläche wurde als Exerzierplatz genutzt. In dem
Lager war die Nachrichten-, Ersatz- und Ausbildungsabteilung 3 (NEA 3) der Waffen-SS
stationiert. Die NEA 3 bestand aus dem Abteilungsstab, zwei Fernsprechkompanien, zwei
Funkkompanien sowie einem Funkmeisterlehrgang und hatte eine Gesamtstärke von ca. 1.600
Mann. Die Einheit hatte die Aufgabe, die Fernsprechdivisionen der Waffen-SS mit ausgebildeten
Fernsprechern, Funkern und Funkmeistern zu versorgen. Alle Einheiten waren mit Karabiner und
leichtem Maschinengewehr ausgerüstet (BLUME & SCHULZ 1974).

Die Wache des SS-Lagers (www.kasernen-und-gebaeude.de)
14233


Vom 20.10.1944 bis 25.3.1945 wurde hier ein Außenlager des KZ Neuengamme
eingerichtet. Die Häftlinge mussten ebenfalls für die SS-Bauleitung Goslar arbeiten. Im März
1945 hatte das Kommando 15 Häftlinge, die wohl Gärtner- und Büroarbeiten leisteten. Sie waren
im SS-Lagergefängnis untergebracht. Es gab es mindestens einen Todesfall – der dänische
Häftling Henry-Jens Sørensen, vermutlich von Beruf Arzt, starb am 20.10.1944 im Alter von 46
Jahren. Vermutlich führten die überanstrengende körperliche Arbeit und zu kleine
Nahrungsrationen zu seinem Tod. Er wurde auf dem Friedhof Hahndorf beerdigt (JANZ 2010).
Dort erinnert eine Gedenktafel im Eingangsbereich an ihn sowie Karl Peix und Walter Krämer.

Die Fläche des SS-Barackenlagers ist heute umwallt und beherbergt den Standort Goslar der Fa.
Recycling-Park Harz GmbH (www.recyclingpark.de).

Gedenktafel auf dem Friedhof Hahndorf (VVN-BdA Siegen)
14234


DP-Lager nach dem Krieg

Nach Übergabe der Stadt am 10.4.1945 wurde der Fliegerhorst von US-Truppen besetzt. Obwohl
am 1.6.1945 das Gebiet von den britischen Streitkräften übernommen wurde, blieben auch US-
Truppen auf dem Fliegerhorst. Die ab Juni 1945 ebenfalls auf dem Fliegerhorst stationierten
Briten richteten im Gebäude der Flugleitung das "Hospital No. 1, Fliegerhorst Goslar" ein (BAR-
ZOHAR 1966).

Nach dem Krieg wurde im Barackenkomplex an der Grauhöfer Landwehr, der in einem
Teilbereich zeitweise als KZ-Außenkommando genutzt wurde, kurzfristig ein Lager für
Displaced Persons (DP) eingerichtet. Dies wird belegt durch eine tabellarische Aufstellung der
Notunterkünfte im Stadtgebiet von Goslar vom 20.5.1945, die auf Veranlassung der Britischen
Militärregierung durch die Stadtverwaltung Goslar erstellt wurde (Abb. 9).

Abb. 9: Aufstellung der Notunterkünfte im Stadtgebiet von Goslar (StA GS RR V/36/9)
14235

In dieser Aufstellung der Notunterkünfte wird unter Nr. 4 für die Örtlichkeit „Fliegerhorst“ als
Notunterkunft „Gemeinschaftsbaracke ehem. Arbeiterbarackenlager“ mit einer Belegungszahl
von 250 Personen angegeben.

Dass es sich hierbei um den Barackenkomplex handelt, der zeit- und teilweise als KZ-
Außenkommando genutzt wurde, belegt ein Lageplanausschnitt vom 17.2.1939 der Bauleitung
der Luftwaffe Goslar, in dem dieser Barackenkomplex ebenfalls als „Arbeiter-Baracken-Lager“
bezeichnet ist. Dieser Lagerbarackenkomplex an der nordwestlichen Grenze des Fliegerhorstes
diente dabei als Unterkunft für polnische DP, denn im Sinne einer möglichst raschen und
reibungslosen Repatriierung wurden die Displaced Persons je nach Nationalität auf
unterschiedliche DP-Lager verteilt (MC NEILL 1995). Dieses Lager wurde – wie auch alle
übrigen Lager im Stadtgebiet Goslar – zunächst von der UNRRA (United Nations Relief
Rehabilitation Administration) betreut.

Im Sommer 1945 wurde im ehemaligen SS-Lager das sog. „Lager Hahndorf“ eingerichtet.
Details hierzu liefern die Protokolle des Hauptausschusses 1945 - 1947 der Stadt Goslar. In einer
Sitzung am 17. Juli 1945 wurde unter dem Tagesordnungspunkt „Angelegenheit Fliegerhorst“
der Ausbau von Baracken auf dem Fliegerhorst für Ausländer behandelt. Oberbürgermeister Dr.
Wandschneider gab in dieser Sitzung bekannt, dass die Baracken des SS-Lagers mit etwa 400
Schlafstellen für Ausländer ausgebaut werden (JACOBS 1994).

Abb. 10: Lageplanausschnitt mit Straßenbezeichnung und Ausführungsart der Bauleitung der
Luftwaffe Goslar, Ausgabe Nr. 86, Maßstab 1:2500 vom 17.2.1939
14236

Ein Vermerk vom 13.12.1945 mit einer Auflistung der Ausländerlager in Goslar (StA GS RR
V/36/3) nennt neben den Lagern Goldene Krone, Hamburger Hof, Goldener Stern, Hessenkopf,
Borchers, Reichsbahnlager, Petersberg, Bergwerk Rammelsberg und Rammelsbergkaserne auch
die Lager Fliegerhorst 1 und 2. Dies deutet darauf hin, dass zumindest zu diesem Zeitpunkt noch
das ehem. Arbeiter-Baracken-Lager und auch das ehem. SS-Lager gleichzeitig für die
Unterbringung von DP genutzt wurde.

Wie lange der Barackenkomplex „Arbeiter-Baracken-Lager“, in dem zeitweilig auch die KZ-
Außenkommandos untergebracht waren, als DP-Lager genutzt wurde und wann die Baracken
abgerissen wurden, war bislang nicht exakt zu ermitteln.

Auf einem Lageplan vom März 1949, der Bestandteil einer Aufstellung der von der britischen
Militärregierung beschlagnahmten Gebäude und Liegenschaften ist (StA GS RR V/46/2), wurde
nur noch das südlichste Teilgebäude verzeichnet, das früher die Küche und Kantine des
Barackenlagers beherbergte. Die übrigen Gebäude des Barackenlagers waren demnach zu diesem
Zeitpunkt bereits abgerissen.

Abb. 11: Lageplanausschnitt vom März 1949 (StA GS RR V/46/2)
14237

Nach Schließung der übrigen Notunterkünfte im Stadtgebiet diente das Lager Hahndorf als
zentrale Unterkunft für Staatenlose und ehemalige Zwangsarbeiter insbesondere aus dem
osteuropäischen und baltischen Raum und später auch für gesellschaftlich randständige Familien.
Ab 1947 übernahm die Nachfolgeorganisation der UNRRA, die IRO (International Refugee
Organisation), die Verwaltung der DP-Lager. Die IRO betreute das „Lager Hahndorf“ bis
1950/51. Anschließend wurde die Verwaltung wieder von deutschen Stellen übernommen.

1952 richten zwei junge Lehrer dort eine eigene Schule ein. Gleich nach dem Kriege hatte sich
bereits eine polnische Lehrerein bemüht, die im Lager lebenden Kinder zu unterrichten
(www.hahndorf-goslar.de/geschichte.html). Zum 15. Oktober 1965 wurde das „Lager Hahndorf“
dann endgültig aufgelöst (GZ vom 29.9.1965).


Abb. 12: Die Goslar-Halle in der NS-Zeit
14238

Goslar-Halle und Fliegerhorst

Die 1935 errichtete Goslar-Halle an der Wachtelpforte diente ab Mitte 1944 als Unterkunft für
500 - 600 Zwangsarbeiter. Die ursprünglich 3.000 Sitzplätze fassende und 60 m breite Halle
wurde ab Kriegsende im April 1945 zunächst für ca. vier Wochen als Übergangslager für
rückzuführende sowjetische Kriegsgefangene (2000 Personen täglich) genutzt. Daran
anschließend diente die Halle ca. zwei Monate als Unterbringungsort für heimkehrende deutsche
Kriegsgefangene, die in der sowjetisch besetzten Zone beheimatet waren und nicht dorthin
zurückkehren wollten. Dann wurde die Goslar-Halle aus Anordnung der britischen
Militärregierung als eines von mehreren Flüchtlings-Durchgangslagern zur Rückführung der
während des Krieges nach dem Osten evakuierten Personen (Kriegflüchtlinge) eingerichtet.
Hierzu musste das in der Halle eingerichtete Lager zur Aufnahme von 500 - 600 Personen
täglich fähig sein. Täglich kam ein Sonderzug aus dem Osten nach Eckertal und Flüchtlinge
wurden dann von dort mit einem weiteren Sonderzug nach Goslar gebracht. Von Goslar aus fuhr
alle drei Tage ein Sonderzug nach Westen. Dies hielt bis April 1946 an, dann kamen die
Sonderzüge direkt aus dem Osten mit Vertriebenen und Flüchtlingen. Ca. 1500 Personen kamen
damit täglich in Goslar an und wurden dann auf die Lager in der Stadt verteilt. Ab Anfang 1947
wurde die Goslar-Halle als Wohnlager mit 450 Dauerinsassen genutzt. Am 3. Ostertag 1948
brannte die Halle bis auf die Grundmauern ab. Dadurch wurden alle 248 zu diesem Zeitpunkt
noch im Lager Goslar-Halle befindlichen Flüchtlinge obdachlos.

Abb. 13: Die brennende Goslar-Halle
14239

Ein Großteil der Flüchtlinge wurde daraufhin im Fliegerhorst untergebracht. Innerhalb von vier
Wochen sollte eine andere Unterbringungsmöglichkeit gefunden werden. Jedoch konnten erst
Mitte Juni 1948 die letzten Flüchtlinge den Fliegerhorst verlassen und mussten in der
Domkaserne untergebracht werden, obwohl man sich bemüht hatte, die Goslar-Hallen-
Flüchtlinge nicht wieder in einem Massenlager unterzubringen (PEIN 1995).


Dank
Für freundliche Unterstützung und Recherchehilfen danken wir Karsten Färber, Dr. Donald
Giesecke, Steve Niewisch, Dr. Peter Schyga sowie dem Stadtarchiv Goslar und dem VVN-BDA
Siegen.

Literatur und Quellen

BAR-ZOHAR, M. (1966): Die Jagd auf die deutschen Wissenschaftler (1944 - 1960). – Verlag Ullstein, Frankfurt am Main
BLUME, H. & SCHULZ, A. (1974): Bericht über die Rolle der Nachrichten-, Ersatz- und Ausbildungsabteilung 3 der Waffen-SS in Goslar
im April 1945 – Aufzeichnungen der letzten Tage vor dem Einzug der Amerikaner. – Stadtbücherei Goslar, Inv.-Nr. 14 BA 9/1, maschinenschr. Manuskript, 7 S.
FIEDLER, G. & LUDEWIG, H.-U., Hg. (2003): Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft im Lande
Braunschweig 1939 - 1945. – Quellen und Forschungen zur braunschweigischen
Landesgeschichte 39, Braunschweig
GIESECKE, D. (2010): Flugplatz Goslar. Vom zivilen Flughafen zum militärischen Fliegerhorst
Goslar 1927 - 1945. – Eigenverlag, Goslar
GZ (1965): Aus den Baracken nach Kramerswinkel. – Goslarsche Zeitung 29.9.1965
GZ (1997): Geschichte verstehbar machen. – Goslarsche Zeitung l l.10.1997 [Vortrag Dr. Peter
Schyga über den aktuellen Kenntnisstand „Goslar 1918 - 1945" am 9.10.1997]
INTERNATIONALES BUCHENWALD-KOMITEE (1960): Buchenwald - Mahnung und
Verpflichtung - Dokumente und Berichte. – 621 S., 134 Abb., 1 Kt., Frankfurt a. M.
JACOBS, F. (1994): Erfassung und Erkundung „Ehemaliger Flugplatz Goslar“. – Unveröff.
Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Umweltministeriums
JANZ, W. (2003): Erinnerungsstätten an Unmenschlichkeiten des Nationalsozialismus im
Landkreis Goslar. – Hrsg. vom Verein Spurensuche Goslar e.V.
JANZ, W. (2010): Geschichte und Geschichten aus Hahndorf am Harz. Band 1. – Sternal Media,
Gernrode
MC NEILL, M. (1995): An den Wassern von Babylon. Erfahrungen mit Displaced Persons in
Goslar zwischen 1945 und 1948, Bielefeld 1995
PEIN, J. (1995): Flüchtlingsverwaltung- und Betreuung nach dem II. Weltkrieg am Beispiel der
Stadt Goslar. – Diplomarbeit zur Erlangung des Grades einer Diplomsozialpädagogin/
Sozialarbeiterin, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden, Referent Prof. Heinz Dieter Gottlieb,
Koreferent Ralf Olaf Dorn
SCHYGA, P. (1999): Goslar 1918 – 1945. Von der nationalen Stadt zur Reichsbauernstadt des
Nationalsozialismus. – Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar - Goslarer Fundus 46, Verlag für
Regionalgeschichte, Bielefeld
STEIN, H. (2002): KZ an der Landstraße – Das Buchenwalder Außenlager in Goslar. In:
VÖGEL, B.: System der Willkür. Betriebliche Repression und nationalsozialistische Verfolgung
am Rammelsberg und in der Region Braunschweig. – Rammelsberger Forum 1, S. 71 - 82,
Verlag Goslarsche Zeitung Karl Krause, Goslar
STUDIENKREIS ZUR ERFORSCHUNG UND VERMITTLUNG DER GESCHICHTE DES
WIDERSTANDES 1933 - 1945 (Hrsg., 1985): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des
Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, 2, Niedersachsen I: Regierungsbezirke
Braunschweig und Lüneburg. – Köln
STADTARCHIV GOSLAR (StA GS RR V/36/3): Verkehr mit dem Ausländeramt
STADTARCHIV GOSLAR (StA GS RR V/36/9): Aufstellung der Notunterkünfte im Stadtgebiet
von Goslar
STADTARCHIV GOSLAR (StA GS RR V/46/2): Aufstellung der von der britischen
Militärregierung beschlagnahmten Gebäude und Liegenschaften im Stadtgebiet von Goslar
STADTARCHIV GOSLAR (StA GS RR VII/37/2): Verzeichnis der erteilten Auf-
enthaltserlaubnisse
www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de Außenlager Goslar

www.spurensuche-harzregion.de

www.stiftung-ng.de


Den ganzen Artikel gibt es als PDF zum herunterladen

Maria
12.07.2015, 19:21
Ich kann mich noch gut erinnern, dass in den 50ger Jahren das Lager Hahndorf mit "Flüchtlingen" bewohnt war. Es war für mich eine völlig andere Welt.
Maria

Siegmundundcarsten
16.01.2021, 19:10
Hallo Maria
Ich bin dort geboren, und weiß nichts mehr über das Lager.
Warum andere Welt?
Gruß Siegmund

Maria
17.01.2021, 11:55
Hallo Siegmund,
ich bin in Goslar geboren und aufgewachsen, wir mussten weder fliehen noch wurden wir vertrieben. Unser Spielbereich war ein großer Garten und der Kattenberg. So gesehen eine behütete Welt im Gegensatz zu den Menschen die so viel verloren hatten.
Gruß Maria