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AlterSchirm
20.06.2011, 12:30
Das Rosentor

Einleitung

Die Betrachtung eines einzelnen Teiles einer kompletten Befestigungsanlage einer Stadt lässt sich nicht losgelöst durchführen. Insbesondere weil Tore in einer Stadtmauer selbstverständlich waren, ist bei der Auswertung der Quellen häufig nur von „der Befestigung“ oder den Toren im Allgemeinen die Rede, so dass die Information auf das betrachtete Objekt bezogen werden muss, aber nicht die Besonderheit ausgerechnet dieses Objektes hervorhebt.

Was vorher war

Am 29. Juni 1073, so berichtet Lampert von Hersfeld in seiner „Annales“, zogen die Sachsenfürsten vor den Kaiser Heinrich IV in die durch Wall und Holzpalisade befestigte Stadt Goslar. Zu dieser Zeit handelte es sich bei dem von der Palisade geschützten Teil höchstwahrscheinlich nur um das Bergdorf und den angrenzenden Pfalzbezirk.
Die 922 unter Heinrich I aus verschiedenen Dörfern und Gehöften verwaltungstechnisch entstandene Stadt war noch nicht zusammengewachsen und an der Stelle des heutigen Rosentores stand möglicherweise die sagenumwobene „Villa Romana“, eine ältere, an römische Bauweise erinnernde, befestigte Hofanlage mit einem Hospital und einer Kapelle, die sich schon vor der Gründung der Stadt an dieser wichtigen Handels- und Heerstraße nach Hildesheim befunden haben könnte und die bei der Gründung der Stadt mit eingemeindet wurde. Eine Reihe von Ausgrabungs- und Baustellenfunden deuten darauf hin. Ob es sich bei der Anlage allerdings tatsächlich um die „Villa Romana“ gehandelt hat, wie H. G. Griep annimmt, bleibt ungewiss.

12. bis 15. Jh.

Erst 1181 werden in Verbindung mit dem Baubeginn des Klosters und 1186 mit der Weihe der Neuwerkkirche das Rosentor und das Vititor genannt. Irgendwann in dem dazwischen liegenden Jahrhundert muss die Holzpalisade einer festen ca. 5 m hohen und 1,20 m dicken Steinmauer gewichen sein, die dann die inzwischen zusammengewachsene Stadt umgab. Der Verlauf der Mauer hat sich in den folgenden Jahrhunderten nicht mehr verändert, jedoch blieb das mit Palisaden und Wehrkirche befestigte Bergdorf außen vor.
Um das Betreten und Verlassen der Stadt einfacher zu gestalten, hatte man, vorzugsweise an vorhandenen Straßen und Wegen, Löcher in der Mauer gelassen und diese wiederum mit Toren verschließbar gemacht. So entstand auch an der Heerstraße von und nach Hildesheim ein Tor.
Bei diesem Tor handelte es sich um einen in die Mauer integrierten rechteckigen Turm, der in seinem Untergeschoss die Tordurchfahrt hatte, ähnlich dem erhaltenen Torturm im Breiten Tor, jedoch mit schmalerer, niedrigerer Durchfahrt, der Turm selbst aber deutlich höher. Der Turm des Breiten Tores wurde von dem Großfeuer der Unterstadt 1728 in Mitleidenschaft gezogen und danach niedriger wieder instand gesetzt.
Im Stockwerk über der Durchfahrt befand sich eine Kapelle, nach deren Schutzheiliger das Tor vermutlich zunächst „Marientor“ heißen sollte. Doch, so sagt die Legende, verlieh ein alter Rosenstock, der dort seit langem sein Wesen trieb, dem Tor seinen duftigen Namen.
Tatsächlich dürfte es sich bei der Namensgebung um eine Ausführung der christlichen Symbolik handeln, bei der die Rose für die Jungfräulichkeit steht und in Persona die Jungfrau Maria als Rose bezeichnet wird. Tatsache bleibt, dass das Tor bereits zum Ende des 12. Jh. als Rosentor in dem Dokument der Kirchweihe genannt wird.
Die Mauer als solche taucht erst 1254 als „muri burgensium“ in der Überlieferung auf. Die Befestigungsanlage wurde mit einfachen Mitteln noch einige Jahrzehnte weiter ausgebaut. 1274 ist der Graben um die Stadt vollständig „fossa cum muro“ und 1294 begegnet uns der Wall „vallum“ zum ersten Mal in einem Dokument.
Danach wird es wieder still um die Befestigungsanlagen und das Rosentor. Erst rund einhundert Jahre später, 1397, gibt es eine Quelle, in der der Bischof von Hildesheim die Erweiterung der Tordurchfahrten aller Tore der Stadt erlaubt, um die größer und höher gewordenen Fuhrwerke durch zu lassen. Man musste sein Einverständnis haben, weil die Torkapellen dem Ausbau zum Opfer fielen und neben den Toren, später in den Innenhöfen der Torburgen wieder aufgebaut wurden. Am Rosentor übernahm diese Funktion zumindest zeitweise vermutlich die außerhalb der Stadtmauer stehende Klosterkirche Neuwerk.
Wieder erfahren wir rund einhundert Jahre lang nichts Neues vom Rosentor.

16. und 17. Jh.

Nachdem in der Mitte des 15. Jh. im Rammelsberg die Gewinne aus dem Bergbau deutlich stiegen, begann die Stadt wieder aufzublühen und zur Jahrhundertwende hatte man das nötige Geld, um die Stadtbefestigung weiter auszubauen. Dies geschah in mehreren Bauabschnitten. Zunächst baute man auf dem Wall mächtige Wehrtürme, die durch unterirdische Gänge mit der Stadt verbunden waren, diese „Zwinger“ entstanden an den schwächsten Stellen der Mauer, nämlich an ihren Knickpunkten und an den großen Toren. Im Jahr 1501 begann man den Bau des ursprünglichen Achtermannzwingers an dem Mauerknick zwischen dem Breiten Tor und dem Rosentor in der Nähe der heutigen Fußgängerbrücke, die Mauerstraße und Bismarckpark über die Gleise hinweg verbindet.
Kurz darauf, im Jahr 1508, entstand der Rosentorzwinger (heute Achtermann genannt), der im Wesentlichen erhalten ist. Er hat einen Durchmesser von 22m bei einer Wandstärke von ca. 5m. Das Mauerwerk ist 16m hoch und ursprünglich hatte er ein spitzes, mit Schiefer gedecktes Kegeldach, wie es bis heute am Zwinger des Breiten Tores, dem Rieslingsturm, erhalten ist.
Man schloss nun zügig die Lücke zwischen dem Torzwinger und dem Tor mit einer Mauer und ergänzte dann mit einem zweiten Torhaus, einem Turm und einer abschließenden Mauer das Tor zu einer festen Torburg mit zwei Tordurchfahrten und einem Innenhof. Aus dem alten Stadttor mit dem rechteckigen Turm war das innere Tor geworden und zwischen dem Zwinger und dem Mauerturm war ein äußeres Tor entstanden. Im Falle des Rosentores muss dies etwa um 1520 fertig gestellt worden sein. Die Zwinger und Torburgen erhielten zur Erinnerung an den Stand als kaiserlich freie Reichsstadt Kaiserstandbilder.
Die gesamte Stadtmauer wurde erhöht und bekam einen hölzernen, Schiefer gedeckten Wehrgang an den Zinnen, so wie er auf dem Mauerrest vor der Neuwerkkirche zu sehen ist. Im Wall wurden Kasematten angelegt, um den toten Winkel im neu angelegten äußeren Graben verteidigen zu können. Eine dieser Kasematten war am Rosentor im Wall vor der Neuwerkkirche. Weil die Neuwerkkirche außerhalb der alten Stadtmauer gebaut worden war, musste am Rosentor die sonst durchgängige Linie der Gräben und Wälle unterbrochen werden. Dieser strategische Nachteil sollte durch die Kasematte wenigstens teilweise ausgeglichen werden.
Zum Schluss wurde vor dem äußeren Tor im Graben Wasser vom Georgenberg angestaut und mit einer Zugbrücke überbrückt. Eine vollständige Flutung des äußeren Grabens um die Stadt war auf Grund der geografischen Situation unmöglich. 1547 wurden die äußeren Gräben und die abschließende Feldmauer am Rosentor endgültig fertig gestellt.
Es war üblich, dass bestimmte Mauerabschnitte einer befestigten Stadt von den verschiedenen Handwerksgilden verteidigt wurden. Die neue Torburg „Rosentor“ hatte gleich zwei zuständige Gilden, nämlich die Schäfer und die Schuster. Die Schuster waren für die südliche Seite in Richtung Neuwerkirche zuständig und der Flankierungsturm am äußeren Tor hieß daher „Schusterturm“. Die nördliche Seite mit dem Rosentorzwinger in Richtung Weberturm wurde von den Schäfern verteidigt, so hieß der heutige Achtermann im allgemeinen Sprachgebrauch „Schäferturm“.
Die Schäfer waren auch in Friedenszeiten für die Verteidigung wichtig, denn sie sorgten mit ihren Herden dafür, dass das Gras auf den Wallanlagen kurz, robust und dicht stand und keine Pflanzen aufwuchsen, die möglichen Angreifern Sichtschutz oder gar Deckung bieten konnten. Der Einfachheit halber hatte man im Keller des Schäferturms einen Schafstall angelegt, was letztlich ausschlaggebend dafür war, dass wir den Turm heute noch bestaunen können.
Als 1552 Heinrich der Jüngere die Stadt belagerte, befand sich die Befestigung der Stadt auf dem technisch höchsten Stand und man verfügte über mehr als 700 Geschütze, dennoch wagten die Goslarer keine offene Auseinandersetzung. Nicht weil man der starken Mauer und den Gräben misstraute, sondern weil die Bürgerhäuser im Stadtkern mit ihrem Fachwerk und den Stroheindeckungen zu leicht in Brand geraten wären, gab man ohne Kampf auf und unterzeichnete den schicksalhaften Riechenberger Schandvertrag.
Später, im Jahr 1626, als die Häuser überwiegend mit Schiefer gedeckt waren, überstand die Mauer und natürlich mit ihr das Rosentor trotzdem noch zwei größere Belagerungen der Braunschweiger mit Bravour. Während des 30 Jährigen Krieges versuchte Christian „der Tolle“ von Braunschweig gleich zwei Mal die Stadt zu erobern und wurde beide Male durch die Goslarer Bürger abgewehrt.

18 Jh. bis heute

Zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Waffentechnik so weit fortentwickelt, dass die mittelalterlichen Befestigungsanlagen der Stadt ihren Sinn längst verloren hatten. Die Instandhaltung war sehr teuer, die Stadt brauchte Expansionsraum und, damals wie heute, zusätzliche Einnahmen. Was lag näher als die Privatisierung des unnütz gewordenen Eigentums der Stadt? Im Jahr 1788 beschloss der Rat der Stadt unter Johann Georg von Siemens die Aufhebung der Befestigungsanlagen und begann deren Versteigerung als Bauplätze oder Gärten. Einige der neuen Privatbesitzer integrierten die ersteigerten Objekte in ihre Baupläne, andere ebneten Gräben, Wälle und Mauern ein und gestalteten ihre Grundstücke neu.
1792 wurde der eigentliche Achtermannzwinger aus dem Jahr 1501 abgerissen und die Nische mit dem Kaiserstandbild wurde in den Schäferturm an das Rosentor versetzt. Die Kaisernische mit der Jahreszahl befindet sich bis heute am Turm an der Seite neben dem Hotelaufgang und diese Kaisernische des Achtermannzwingers war es auch, die aus dem Schäferturm nun den Achtermann machte, wie er und das angrenzende Hotel bis heute genannt werden. In wie weit die alte Goslarer Patrizierfamilie mit dem Namen Achtermann bei dieser Umbenennung eine Rolle spielte, ist nicht ganz klar. Eindeutig ist jedoch, dass die Familie bei der Erbauung des ursprünglichen Achtermannzwingers noch nicht in Goslar existierte und hier die Namensgebung an Hand eines der höchsten Berge des Harzes angenommen werden kann.
In den folgenden Jahren mussten immer mehr der alten Tor- und Befestigungsanlagen dem hohen Verkehrsaufkommen und der beginnenden Industrialisierung weichen. Im Jahr 1827 erreichte die Abrisswelle den Schusterturm auf der südlichen Seite des äußeren Tores. An dem Mauerrest vor der Neuwerkkirche brachte man 1849 wohl hauptsächlich aus neoromantischen Gefühlen sowohl den Aufgang und den Torbogen vor dem Wehrgang, als auch die beiden heute vorhandenen Durchgänge an.
Als 1853 das äußere Torhaus abgerissen wurde, entging der Achtermann diesem Schicksal nur, weil die Schlachter den alten Schafstall in dessen Keller nutzten.
1866 wurden die Gleise der neuen Eisenbahntrasse nach Vienenburg neben dem Rosentor im äußeren Graben verlegt.
1866/67 musste das ältere, innere Tor dem steigenden Verkehrsaufkommen weichen.
1868 und 87 erfolgte der Ausbau des Achtermannes als Restaurant und am 2. Juli 1886 konnte im Erdgeschoss das Restaurant „Altdeutsche Stuben“ eröffnet werden. Die beiden darüberliegenden Geschosse wurden in einen Turmsaal verwandelt. Ein Hotel wurde angebaut und der Fachwerkaufbau auf der alten Schäfermauer 1899 fertig gestellt.
Seit 1977 ziert die Stadtseite des alten Mauerrestes Fernando Boteros Skulptur: „Mann mit Stock“, die 1980 durch die „Frau mit (altem)Schirm“ ergänzt wurde.

Einige Fotos: http://www.goslarer-geschichten.de/album.php?albumid=50

Quellen:
Stadtarchiv der Stadt Goslar (Vielen Dank Herr Albers)
Hans Günther Griep: Goslar Band 5, Die Befestigungsanlagen, Verlag Goslarsche Zeitung, 1992
Hans Günther Griep: Goslar um 1500, Stadtplanungs- und Vermessungsamt; Goslar; 2. Auflage (1986)
Hans Günther Griep: Neuwerk 1186 – 1986, Festschrift zur 800. Wiederkehr der ersten Altarweihe, Goslar.
Homepage der Stadt Goslar; http://www.goslar.de
Homepage der Kirchengemeinde Neuwerk; http://www.neuwerkkirche-goslar.de
Homepage des Hotels: „Der Achtermann“; http://www.der-achtermann.de
Wikipedia: http://de.wikipedia.org

Susanne-K.
20.10.2011, 18:28
Eine ungewöhnliche Ansicht des Rosentors:

7889

boborit
02.01.2017, 19:40
Hier mal, vom Jahreswechsel 2016/2017, ein aktueller und vor allem vegetationsfreier Blick auf das Rosentor/Neuwerk-Kloster. Die Mauern waren letztes Jahr noch weitgehend in Kletterpflanzen gehüllt und die belaubten Bäume verdecken in der Regel auch einiges von der Draufsicht.
Heute aber ergab sich glücklicherweise ein Bild der Ursprünglichkeit. (Interessant ist auch der Vergleich mit der Postkarte vor diesem Posting. Der Baum im Vordergrund war da noch nicht vorhanden, der im Hintergrund ist um einiges gewachsen!)
Grüße - Michael

boborit
02.01.2017, 19:58
Na und da ich gerade dabei bin, hier noch einige aktuelle Ansichten vom Rosentor: