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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wohnhaus "Oberer Triftweg 30" , 1919



Verwaltung
09.02.2012, 20:59
Das Haus "Oberer Triftweg 30" wurde 1919 durch Katharina von Kardorff-Oheimb als Wohnhaus erworben.
Die Villa (exisitiert sie heute noch ???) umfasste 27 Zimmer.
Das Haus war damals bekannt für seine Pracht und Eleganz und
erforderte eine zahlreiche Dienerschaft.

Ein brauchbares Bild habe ich noch nicht gefunden.
Ich suche aber noch!

Quelle
http://www.landkreis-goslar.de/media/custom/94_495_1.PDF?1316434376

Andreas
10.02.2012, 19:15
Jau,
steht noch und sieht noch immer sehr chic aus.

Heute "ambulant" nach Feierabend aufgenommen. ;)
1561
Bildquelle: Infleet.eu

kphth
29.05.2012, 23:36
Dieses Haus gehörte in den 80er Jahren dem Bundesvermögensamt. Da das Amt keinen Profit machen durfte, waren die Wohnungen ausgesprochen günstig (ich glaube es waren für 90 qm 190 Mark) zwei Zimmer mit Flügeltüren verbunden, die waren so groß, dass die ganze Wand aufklappte.... ganz zu schweigen von den riesigen, unzähligen Fenstern die für helle, sonnendurchflutete Räume sorgten. Das BVA war damals die Adresse für günstigen Wohnraum.... nach einem Zimmerbrand im Untergeschoss war es nicht mehr so schön und bald darauf wurde es veräußert. Jetzt sind es Eigentumswohnungen.

schön wars

KPHTH

Wolfgang
12.03.2014, 09:12
KATHARINA v.KARDORFF



Am 22. März 2012 jährte sich zum 50. Male der letzte Tag ihres irdischen Daseins: Katharina v. Kardorff-Oheimb, von alten Neussern, ihren Freunden und Bekannten liebevoll kurz und einprägsam „die tolle Katinka“ genannt. Geboren wurde sie am 02. 01. 1879 als Katharina van Endert als Tochter einer großbürgerlichen wohlsituierten Familie im linksrheinischen Neuss, einer einstigen Römersiedlung. Im ersten Vierteljahrhundert des 20. Jahrhunderts war sie deutschlandweit bekannt geworden durch ihren unerschrockenen Einsatz – als „Frauenrechtlerin“ abwertend gelegentlich als „Emanze“ o. ä. beschimpft – für die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf allen Ebenen der Gesellschaft. Die papierne Zusage des seit der Jahrhundertwende geltenden „Bürgerlichen Gesetzbuches“ genügte ihr nicht. Sie war nicht nur eine Schriftstellerin und politische Publizistin, sondern zugleich auch noch Dozentin für Europakunde an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin (Lessing-Hochschule).-
In ihrer Biografie „Politik und Lebensbeichte“ spricht Katharina v. Kardorff-Oheimb davon, dass sie eine Politikerin aus Leidenschaft sei, diese Neigung sei schon sehr früh in ihr erweckt worden; so gesehen, betrachte sie die eineinhalb Jahrzehnte von 1918 bis 1933 als die große ihres Lebens. Dennoch: Eine Politik- und Parteifrau – wie sie sich selbst in ihrer Lebensbeichte einmal bezeichnete – mit hohem sozialen Verantwortungsbewusstsein und Engagement ist sie ihr Leben lang bis zu ihrem letzten Atemzug geblieben. Wenn man so will – und wieder kann man ihre eigenen Worte benutzen – war sie eine ‚Politische Pädagogin’.
Katharina v. Kardorff-Oheimbs Lebensweg mochte für ihre Zeit zwar ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig gewesen sein. Anders herum könnte man ihn auch als phänomenal bezeichnen. Immerhin war sie viermal verheiratet und hatte insgesamt sechs Kinder von zweien der vier Ehemänner. Aber unbeirrt verfolgte sie das selbstgesteckte Ziel: Die politische Bildung der Frauen. Dazu dienten ihr u. a. die seit 1919 durchgeführten „Goslarer Kurse“, die entgegen aller Erwartungen sehr gut angenommen wurden, obwohl sie über etliche Tage gingen. Diese überparteilichen Veranstaltungen enthielten so Themen wie „Gedanken und Ziele der Frauenbewegung“.-
Katharina v.Kardorff-Oheimb war Begründerin des „Nationalbund(es) Deutscher Frauen“; auf sie geht die Gründung „Deutscher Damen-Automobil-Club“ und die Gründung „Nationale Arbeitsgemeinschaft e.V. – Einsatz für politisches Studium von Frauen“ zurück. Sie war also in verschiedenen gesellschaftlich-politischen Richtungen aktiv, was manch einer eventuell mindestens ungewöhnlich/unerhört (emp)fand.-
Nach dem I. Weltkrieg gehörte sie 1918 zu den ersten deutschen Parlamentarierinnen – das aktive und passive Frauenwahlrecht war gerade neu eingeführt worden – der Weimarer Republik; von 1920 bis 1924 vertrat sie die DVP (= Demokratische Volkspartei) im Reichstag). Katharina v. Kardorff-Oheimb war mit einem ungewöhnlich scharfen Verstand ausgestattet und jederzeit geistreich in ihren Äußerungen. Und sie gehörte, obwohl politisch anders denkend, zum Freundeskreis um den Reichspräsidenten Friedrich Ebert und dessen Frau Louise, der sie in besonderer Weise verbunden war und sie nach Friedrich Eberts plötzlichem Tod an seinem Grab stützte und seelischen Beistand leistete.
Das zeichnete „Katinka“ ihr Leben lang aus. Dass sie fast nie so reagierte und handelte, wie andere es von ihr erwarteten; sie war sehr selbständig und selbstbewusst, sie war durch und durch eine Persönlichkeit, die wusste, was sie wollte.-
In Goslar fühlte sich Katharina v. Kardorff-Oheimb sehr. Sie hat hier gern gelebt, und sie besaß auch eine eigene Jagd am ‚Auerhahn’. Ebenfalls hier ehelichte 1927 sie ihren vierten Ehemann und politischen Weggefährten, Siegfried v. Kardorff, einen preußischen Landrat und Vizepräsidenten des Reichstages, Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, der Preußischen Landesversammlung und des Preußischen Landtages; er war von Haus aus freikonservativ politischer und privater Schriftsteller. Es war – wie alle ihre Eheschließungen vorher – eine Liebesheirat. Siegfried v. Kardorff verstarb im Oktober 1945.-
Nach ihrer „Goslarer Zeit“ lebte Katharina v. Kardoff-Oheimb – bedingt durch ihre politische Tätigkeit – überwiegend in Berlin. Sie liebte die öffentlichen Ehrungen und gesellschaftlichen Auszeichnungen, die ihr zuteil wurden. Sie führte über viele Jahre ein politisches Haus, nicht nur den Mitgliedern des Reichskabinetts und führenden Reichstagsabgeordneten hatte sie Gelegenheit gegeben. Es waren nicht nur die Volksvertreter, es waren auch die Kreise der Industrie, der Banken, der Künstler, der Frauengruppen, der Presse, die bei ihr verkehrten. Gleichzeitig reiste sie viel: Nach England, Frankreich, Jugoslawien, Ägypten, Portugal, Spanien und USA (Von ihr stammte auch die Umschreibung, dass Konstantinopel/Istambul die „Pforte des Orients“ sei. Was nur Wenige wussten: Katharina von Kardorff gehörte zu den Organisatoren der Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Später, als der Bombenkrieg sich immer mehr auf die Hauptstadt konzentrierte, floh sie 1943 aus Berlin (= auch vor Nachstellungen durch die Gestapo!) und zog nach Ahrensdorf in der Uckermark. Dort wurde sie nach dem Ende des III. Reiches noch einmal politisch aktiv. In Ahrensdorf, heute zu Templin gehörend, war sie für eine kurze Zeit Bürgermeisterin, ehe sie wieder nach Berlin zurückkehrte und in den Ortsteil Charlottenburg zog. In der DDR, damals noch ‚Sowjetische Besatzungszone’, wurde sie zur Mitbegründerin der LDPD. Das Jahr 1948 verbrachte sie bei ihrer Schwester Elisabeth in der Schweiz. Die letzten Jahre ihres schaffensreichen Lebens verbrachte sie dann ganz in der Nähe ihres Geburtsortes Neuss auf der anderen Seite des Rheines im Altersheim in Düsseldorf, wo sie am 22. März 1962 krank und einsam im 84. Lebensjahr verstarb, und in Neuss – ihrem Geburtsort - wurde sie beerdigt.


(Randbemerkung: Die bekannte Fernsehschauspielerin (= Tatortkommissarin) Maria Furtwängler ist ihre Urgroßtochter.)