>Die alte Harzstraße<
Der Hahnenklee-Bockswieser Hobby-Heimatforscher Hermann Behrens (1901-1980) hat sich sehr intensiv mit der Geschichte seines Heimatortes und dessen Umgebung in etlichen Kapiteln beschäftigt. Dazu hat er sehr genaue Quellenstudien betrieben und Vieles aus eigenem Wissen und Erleben hinzugefügt. Ihn interessierte vor allem die bergbauliche Vergangenheit.
Die Ergebnisse seiner Nachforschungen nach den Spuren früherer Zeiten hat er in der Schrift „Von der Berg- und Waldarbeitersiedlung zum heilklimatischen Kurort“. Diese Zusammenfassung bündelt seine Aufzeichnungen über den historischen Werdegang der Doppelgemeinde Hahnenklee-Bockswiese. Bei diesen Nachforschungen hat er manche interessante Einzelheit und schriftlich festgehalten, damit nachfolgende Generationen sie nachlesen können.
Außerdem hat Hermann Behrens neue, ungewohnte Zusammenhänge und gegebenenfalls neue Schlüsse daraus gezogen. Ein Beispiel mag die Geschichte der „Alten Harzstraße“ sein. Sie mag nur mittelbar und indirekt mit der Historie des Ortes zu tun haben, bleibt aber dennoch beispielhaft für das Gesagte. Hören wir einmal darauf, wie der Autor die Kausalitäten sieht.
„Die alte Harzstraße“
Ganz in der Nähe von Hahnenklee zieht sich eine alte Verkehrsstraße entlang, die unter dem Namen ‚Alte Harzchaussee’ auf den Karten verzeichnet ist. Es ist der früher vielgenannte und vielbenutzte Verkehrsweg von Goslar nach Osterode, der damals, als man ihn anlegte, noch durch ganz unwegsames und unbewohntes Gebiet führte.
Als am Harzrand schon einige Orte zu Ansehen und Bedeutung gelangt waren, da lag unsere Heimat noch lange Jahre hindurch als Urwald da. „Bruch und Torfmoor, Busch und Braken erschwerten jedes weitere Eindringen. Die zahlreichen Bären und Wölfe schreckten die Bewohner zurück, nicht nur die Räuberbanden, welche hier ein sicheres Versteck suchten und auch fanden. Ungestört horstete der Adler auf den Klippen und balzte der Auerhahn auf den Höhen.“ (Günther)
Als die norddeutschen Städte nach dem Jahre 1200 durch die Bildung der Hanse einen großen Aufschwung nahmen, als sie ihre Waren weit über Land sandten, da erwies sich für Goslar die Notwendigkeit, einen Anschluss nach Süden hin an die großen Fernstraßen nach Süddeutschland zu suchen. Der Weg nordwestlich um den Harz herum war versperrt: In der Gegend von Neuekrug lagen damals unpassierbare Sümpfe, die heute trocken gelegt sind.
Das Kloster Walkenried hatte seit 1157 an den Rammelsberger Grubenerzen; es ließ diese Erze an den Pandelbach bei Lautenthal und in die Markau in den südlichen Teil der sogenannten „Go“ auf sehr schwierigen Wegen über die Innerste auch in der Gegend von Lautenthal befördern, um sie dort verhütten zu lassen. Der Weg überquerte das Gebirge in geradezu widersinniger Richtung, so dass die Erzfuhren später über die Oberharzer Hochebene nach dort befördert wurden.
Am meisten lag wohl dem Kaufmann an einer guten Straße von Goslar nach Süddeutschland. So legte man die Verkehrsstraße Goslar-Osterode an. Der Zeitpunkt lässt sich nicht genau angeben, wahrscheinlich wird sie schon um das Jahr 1200 oder wenig später gebaut worden sein. Nach der Gewohnheit der damaligen Zeit, kümmerte man sich bei der Anlage wenig um die Steigungen, die zu überwinden waren, man legte die Straße in möglichst gerader Richtung durch die Gegend.
Sie führte von Goslar heraus zu den Schieferbrüchen, bald danach berührte sie das „Zipollenbleek“, d.h. Kapellenbleek. Man schließt (aus) diesem Namen, dass hier einmal eine Kapelle gestanden hat. Auf dem höchsten Punkte der Straße – auf dem Thomas-Martin(s)-Berg kurz vor dem ‚Auerhahn’ – befand sich ein schmiedeeisernes Kreuz. (=wie auch beim Abstieg hinter Clausthal nach Osterode auf dem ‚Heiligenstock’ oberhalb Lerbachs)
Die Stelle, an der das Kreuz gestanden hat, lässt sich nicht mehr genau angeben; noch im Dreißigjährigen Kriege wird es erwähnt: Dänen und Braunschweiger haben hier gelagert. Anscheinend ist es die Stelle gewesen, wo man den besten Überblick über die Gegend hat(te). (Heute befindet sich dort oben der Punkt „Zur schönen Aussicht“; man überblickt dort das ganze Granetal und auch einen Teil des heutigen Ortes Hahnenklee.)
Da sich hier die Grenze zwischen der Goslarer Stadtforst und der Herzoglichen Forst (Forst der Braunschweiger Herzöge) befand, so ward dieses Kreuz das Scheidekreuz genannt. Aber noch in einem anderen Sinne lässt sich dieses Wort deuten: Der Wanderer, der von Goslar bis hierher aufgestiegen war, schied hier von der bewohnten Gegend, sein Fuß betrat hier die Wildnis. Er wurde noch einmal daran erinnert, dass er Gott anrufen solle um seinen Beistand und Schutz. Am heutigen ‚Auerhahn’ führt der Weg dann durch die Einsenkung zwischen Bocksberg und Schalke oder Kahlenberg; diese Senke bezeichnete man damals als „Hohe Kehl“. Heute finden wir die Bezeichnung „Hohe Kehl“ weiter nach Goslar zu gelegen. –
In der Nähe überquerte die alte Straße den damals so genannten „Fuhrbach“ auf einer Knüppelbrücke. Wie dürfen uns unter dieser Straße keine moderne gut ausgebaute Verkehrsstraße vorstellen Zwar wird sie 1457 in einer alten Urkunde „die rechte Heerstraße“ genannt; aber man wird das Richtige treffen, wenn man sich folgendes Bild davon macht: In ziemlicher Breite hat man den Wald geschlagen, an manchen Stellen hat man was zur Beseitigung de Sümpfe getan, im übrigen musste jeder sehen, wie er durchkam. Die Wagen suchten mehrfach neue Geleise, weil die alten zu schwer ausgefahren waren, sodass die Fahrbahn immer breiter wurde. Wer befürchtete, dass sein Wagen oder Fuhrwerk die häufigen tiefen Löcher im Wege nicht ohne Schaden durchfahren könne, mochte sich selber Abhilfe schaffen, indem er die Löcher mit Steinen notdürftig ausfüllte oder auch durch Knüppel und Äste beseitigte.
Der Zustand wurde auch nicht anders, als der Harz schon seit vielen Jahren besiedelt war. Wir haben aus der Zeit um 1750 eine Schilderung der Straßen im Oberharz, die uns ein genaues Bild von dem Zustand der Straßen und Wege gibt.“