Aus dem Hamburger Abendblatt vom 29.05.1999

Möbel Unger schließt jedes zweite Geschäft
Die Faxmitteilungen aus den Möbelhäusern wurden im 30-Minuten-Takt verschickt. 15.01 Uhr: "Möbel Unger in Wandsbek wird geschlossen." 15.32 Uhr: "Möbel Unger schließt sein Haus in Maschen." Und das war nur der Anfang. Insgesamt gaben gestern 18 Geschäfte und zwei Lager bekannt, daß sie Ende Juli schließen werden. Die Zahl der Möbel-Unger-Häuser schrumpft von 35 auf 17. Vor knapp zwei Jahren hatte das Unternehmen bundesweit noch 57 Standorte. "Was wir derzeit erleben, wünsche ich keinem", sagt ein Betriebsrat. Betroffen sind rund 1500 Mitarbeiter.

Die Begründung für das Aus der Möbel-Häuser ist überall dieselbe: "Es ist uns nicht gelungen, aus der Verlustzone zu kommen und Gewinne zu erzielen", sagt Manfred Geisler-Hansson, Geschäftsführer von Möbel Unger in Hamburg-Wandsbek. Die 70 Mitarbeiter dort waren bis zuletzt davon ausgegangen, im Dezember von der Walddörferstraße in die Sieker Landstraße nach Rahlstedt umzuziehen - in ein neues, 25 000 Quadratmeter großes Haus. Laut Geisler-Hansson seien diese Pläne jetzt "auf unbestimmte Zeit verschoben". Für die Angestellten soll mit dem Betriebsrat ein Sozialplan verhandelt werden.

"Es ist mehr als skrupellos, wie hier eine Belegschaft hinters Licht geführt wird", sagt Jörg Reinbrecht, Sprecher der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen in Hamburg. Um Stellen zu sichern, hätte der Betriebsrat noch im Oktober 1998 einer Verlängerung der Arbeitszeit für alle Beschäftigten um mehr als vier Stunden pro Woche zugestimmt. Jetzt würden die Mitarbeiter von "dem gewissenlosen Firmenchef Erich Kellerhals" trotzdem in die Arbeitslosigkeit geschickt.

Der Media-Markt-Erfinder Kellerhals hatte zusammen mit seiner Frau Helga und dem Spediteur Peter Amberger Möbel Unger am 1. Juli 1997 von der Metro-Gruppe übernommen. Schon damals machte das Unternehmen jährlich dreistellige Millionenverluste - und mit rund 1,2 Milliarden Mark nur noch halb soviel Umsatz wie in Glanzzeiten. Die neuen Eigentümer teilten die Möbelhäuser in 50 eigenständige Gesellschaften auf, ließen einige - wie das jetzt auch vor dem Aus stehende Geschäft in Horst bei Elmshorn - in Cosa umbenennen. Doch Kellerhals habe dadurch weder das Image noch die wirtschaftliche Situation der Möbel-Kette verbessern können, so Lothar Weinmiller, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Möbelfachhandels, gegenüber dem Abendblatt. Der Absturz verschärfte sich in diesem Jahr durch die katastrophale Situation der gesamten Branche, die allein von Januar bis März Umsatzeinbußen um zehn Prozent hinnehmen mußte.

"Es macht keinen Sinn mehr, das Haus aufrechtzuerhalten", sagt deshalb Wilhelm Pundsack, Geschäftsführer von Möbel Unger in Maschen. Dort verlieren 35 Mitarbeiter ihren Job. In Norddeutschland bleiben nach der Entscheidung, die am Donnerstag abend in einer Krisensitzung aller Häuser gefallen war, nur noch fünf Geschäfte erhalten: in Bremerhaven, Goslar, Kiel, Lüneburg-Adendorf und Lahstedt.

Quelle:
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