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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wintereinbruch zum Jahreswechsel 1978/79



märklinist
04.01.2019, 15:20
Hallo an alle und ein frohes neues Jahr 2019.

Vierzig Jahre sind nun vergangen seit dem Katastrophenwinter 78/79 und meine Erinnerungen sind noch recht gut an dem Silvestertag 1978, den ich als DJ und Bedienung im Hotel Ritter Ramm verbrachte und feierte.
Es war volles Haus im Ritter Ramm, Busse aus Dänemark waren noch vor der Jahreswende angereist um im Harz und Goslar ein paar schöne Urlaubstage zu genießen. Viele Dänen kamen auch gerne, weil der Alkohol bei uns so günstig war und im Gegensatz zu einigen anderen EU Ländern immer noch günstig ist.

Für 50 DM gab es seiner Zeit im Hotel ein Silvesterbuffet und zum Anstoßen um 0 Uhr ein Glas Sekt oder eine Flasche Piccolo, so genau weiß ich es jetzt nicht mehr. Als Angestellter, auch wenn es nur ein Nebenjob war hatte ich Speis und Trank für lau, aber man hielt sich zurück, denn nichts ist schlimmer als angetrunkenes Personal.
Es war durchaus sehr viel zu tun, reichlich Whisky wurde von den Gästen bestellt, natürlich flaschenweise, mit den kleinen Gläsern gaben sich die Dänen garnicht erst ab. Die Flasche Whisky ein Markenwhisky sogar, kostete die Flasche 50 DM, dazu nach Wunsch eine Karaffe Soda oder eine Flasche Cola und man war als Personal natürlich am Umsatz beteiligt und das lohnte sich bei dem Absatz an Whisky.

Eigentlich sollten die Busse ja am Neujahrstag zurück fahren, aber wegen der Schneekatastrophe war dies nun nicht möglich, also ging es am nächsten Abend gleich weiter, sogar nach dem Frühstück, so wurde mir erzählt, hat der ein oder andere schon seinen "Stoff" gebraucht.
Kann man sich heute in Goslar nicht mehr vorstellen, das man hüfttief bei Minus 21 Grad im Pulverschnee steht. Da es verjährt ist kann man drüber reden, eine Rakete ist mir ausversehen in ein offenes Fenster eines Nebengebäudes geflogen, was zu einem kleinen Brand führte. Das im Hinterhof Feuerwerk abgebrannt wurde, haben die Feuerwehrleute die ich glaube mit 2 Fahrzeugen mühevoll durch die massiv verschneite Bulkenstraße anrückten nicht mitbekommen.

Das waren wirklich drei tolle Tage, und Stromausfall, wenn überhaupt gab es in Innenstadt nur kurz, aber es fuhren kaum Autos und Stadtbusse. Die Schneemassen in den engen Straßen waren ein wirkliches Problem und eine Herausforderung für den Räumdienst der auch mit schweren Raupenbaggern unterstützt wurde. Der Schnee musste ja auch irgendwie aus den Straßen herausgeschafft werden, denn einfach zur Seite schieben, das war auf grund der Menge gar nicht möglich.

Drei tolle Tage, wo mir quasi meine Ausbildung was die Ausbildungsvergütung von damals betrifft, geradezu als lächerlich erschien. Wenn überhaupt waren es gerade mal um die 200 DM und ein mehrfaches davon konnte ich in nur 3 Tagen verdienen. Das bringt gerade junge Menschen zum Nachdenken. Ich habe da mitbekommen, das man mit einer anderen Art von Arbeit deutlich mehr Geld verdienen kann uind sich so einiges leisten kann, was sonst schier unmöglich war, denn einen Teil der Ausbildungsvergütung musste ich damals zu Haus abliefern (Kostgeld).
Ich kann es eigentlich speziell nur meinem Vater verdanken, das ich die Ausbildung damals nicht abgebrochen habe um an wenigen Tagen in der Woche mehr Geld zu verdienen, als in einer ganzen Arbeitswoche, bzw. Arbeitsmonat.
Ganz dicke wäre es gekommen, wenn ich es wirklich hätte machen dürfen, denn als das Hotel ein Opfer eines Großbrandes wurde (jährt sich im Oktober dieses Jahres auch zum 40. Mal), dann hätte ich alt ausgesehen. Ohne Berufsabschluss, das hätte sich wirklich bitter gerecht.
Daher auch mein Apell an die jüngeren, ruhig mal auf die Eltern hören, denn sie haben oft Recht, denn sie haben ja schon mehr Lebenserfahrung als ein 18, 19 jähriger junger Erwachsener.

Wer lange feiert oder arbeitet, der schläft auch länger, leider war dies an den 3 tollen Wintertagen auch so ein Problem, dem Vater musste beim Schneeschippen geholfen werden, was am Ende aber durch pure Muskelkraft nicht mehr zu schaffen war, ein Räumdienst musste mit Bagger anrücken um die Schneemassen vom Mitarbeiterparkplatz der städtischen Angestellten weg zu schaffen.
Schon damals war das Auto, des Deutschen liebstes Kind, "Norddeutschland stand Kopf" und so einige mussten sich mit ihrem Vehikel durch den Schnee wühlen und wurden obendrein noch sauer, weil nicht genügend Parkraum da war oder weil man sich festgefahren hatte. Das man auch 2 gesunde Beine hat, daran haben so einige nicht gedacht, rutschfestes Schuhwerk an, gut wärmende Socken an den Mauken und los geht es.

Da können wir doch mehr als zufrieden sein, das wir 40 Jahre von solch einem harten Winter verschont geblieben sind und dich denke, das es wegen der zunehmenden Erwärmung immer unwahrscheinlicher wird, das sich solch ein Ereignis in unserer Region nicht mehr wiederholen wird.

In diesem Sinn
der märklinist

ottofranz
04.01.2019, 18:17
Hallo ebenfalls ein frohes neues Jahr 2019,

ja diesen Jahrhundertwinter vergißt man nicht so schnell. Wir feierte damals Sylvester in Zellerfeld bei
einer damaligen Freundin und bei -20 ° platzte das Wasserrohr mit entsprechenden Schaden.

Bis März 1978 war ich noch aktiv im Dienst beim LTG 63 in Rendsburg stationiert. Die Kameraden hatten
schon zwischen Weihnachten und Sylvester Urlaubssperre. Alle Einheiten, insbesondere des Heeres, wur-
den durch den metereolgischen Dienst der Bundeswehr alarmiert. Die damaligen Soldaten waren de facto
das Rückgrat im Katastrophenschutz bzw. in der Bewältigung. Heute fast unvorstellbar.

Wir sollten uns nichts vormachen, so etwas kann auch wiederkommen. Die Klimaveränderung ist da und
das Wetter von einem Extrem ins andere und völlig unberechenbar.

Die Situation Weihnachten 1978 waren milde Temperaturen, regnerisch, reinstes Schmuddelwetter. Am 30.12.
änderte sich das schlagartig innerhalb von Stunden durch den Kälteeinbruch infolge eisiger Luftmassen aus
dem Nordpolargebiet.

Wie gesagt, es kann sich durchaus wiederholen, was wir nicht hoffen wollen.

Gruß
Ottofranz