Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Große Goseflut von 1651
Bergmönch
09.05.2012, 18:56
Beim Blättern in einer alten Chronik (Theatrum Europaeum) fand ich unter der Überschrift "Von schädlicher Ergiessung des Wassers und dahero erfolgtem Schaden" die Notiz über eine große Überschwemmung die im September 1651 in Goslar stattfand:
http://www.goslarer-geschichten.de/picture.php?albumid=140&pictureid=2931
http://www.goslarer-geschichten.de/picture.php?albumid=140&pictureid=2930
Für alle, die beim Frakturlesen etwas aus der Übung gekommen sind, hier die Abschrift:
"Ingleichen ist den 13. hujus in der Nacht, wie auch den 14. eiusdem den ganzen Tag ein überaus hohes und grosses Wasser, so aus dem Harz-Gebürg kommen, zu Goßlar entstanden, dergleichen bey Menschen Gedenken nicht erhört worden. Dieses Wasser hat etliche hundert grosse Bauhölzer, so auf dem Harz und vom Tor zu Goßlar gelegen, und verkauft werden sollen, mit durch die Statt weggeführt, davon [sind] etliche auf dem Marckt, allda es über Ellen hoch hergegangen, etliche auff den Gassen hin und wieder liegen blieben, die übrige seynd mit durchgangen. Vor einem Tor ist es höher als Mannshoch gestanden, hat die Häuser am Wasser meist ruiniert, viel Schlamm mit sich geführt, und alle Mühlen verderbet, so daß der Schade nicht zu beschreiben. Es hat 24 Stunden mit grossem Braussen angehalten, daß auch viele Leute aus den Häusern mit ihren Kindern gelauffen, und alles stehen lassen. Die grobe Bauhölzer stiessen den Häusern die Wänd aus, und [es] führte solcher Gestalt das Wasser von Stühlen, Bänken, Wiegen und Tischen hinweg, was es nur bekommen konnte; welches sehr erbärmlich anzusehe gewesen."
Beste Grüße
Bergmönch
zeitzeugin
09.05.2012, 19:28
Sehr interessant!
Das muss ein wasserreiches Jahr gewesen sein!
Aus Hamm, "Naturkundliche Chronik Nordwestdeutschlands"
1651:
Winterhochwasser der Leine setzt sämtliche Mühlen der Stadt Hannover außer Betrieb...
22. und 23. Februar: Sehr große Sturmflut der Nordsee. Die Petriflut durchbricht die Juister Dünen und zerreist die Insel in zwei ungleiche Teile.
29. Juli: Windstau auf der Elbe setzt Hamburg unter Wasser.
---
Und im September dann also Goslar unter Wasser. - Das fehlt noch in diesem Buch.
Bergmönch
09.05.2012, 22:28
Sehr interessant!
Das mus ein wasserreiches Jahr gewesen sein!
Aus Hamm, "Naturkundliche Chronik Nordwestdeutschlands"
Ja, das stimmt. Das Theatrum Europaeum berichtet noch von Deichbrüchen in Hamburg und Bremen, von Rheinhochwasser, von Überflutungen durch Regen in Grenoble, Bilbao und Murcia, von extremen Unwettern in Neapel, von einer durch Hochwasser zerstörten Brücke in Erfurt und von einem schweren Donauhochwasser in Wien - alles 1651.
Beste Grüße
Bergmönch
Bergmönch
09.06.2012, 13:00
Die Goseflut von 1651 taucht auch in Hans Caspar Brandes' Stadtchronik von 1729 auf. Ein Vergleich der beiden Quellen ist interessant. Die Ausgabe des "Theatrum Europaeum" erschien bereits 1663 und ist dichter am Geschehen. Da das Werk jedoch international ausgerichtet war, ist der Artikel allgemeiner gefasst als die lokale Chronik von Brandes. Allerdings war nach 78 Jahren bei Brandes die Tatsache, dass große Mengen gelagerten Bauholzes die größten Zerstörungen verursachten offensichtlich bereits vergessen.
Interessant ist es jedoch, zu erfahren, wie die Flut die Schneidergilde um ihre Privilegien gebracht hat.
Hier der Brandes-Text:
"1651 Dieses Jahr im Herbste haben sich die Waßer erhoben von vielen regen daß die waßer in Dählern, als die Gose und Abezug nicht haben können in ihren Schranken bleiben, sondern auch zum Thor mit eingefloßen, in der Stadt ist es unter der Trenken bey den Heerwinkel auch auß getreten, und nach der Bergstraßen zu gefloßen die Riege Häuser daselbst da die Gerber wohnen, hat es bald mit genommen samt der Teufels Mühlen das war des Sonnabend frühe um 3 Uhr den 31 Febr. um 10 Uhr ist darauf der Harzeburgsche Teufel aus gebrochen, da es den Schneider Thurm so gefaßt, daß er halb mit fort müßen, und der darauf gewohnt, hat auf einen Stuehl geseßen, und mit seiner Frauen das Mittages Brodt wollen eßen, ist das Waßer so schleunig gekommen, daß sie kümmerlich davon entspringen können, der Stuhl samt einer Wiege auch die Betspunnigen herunter gefallen und weg gefloßen, in den großen heil Creutz ist es den Altar gleich hoch gewesen, in der Schul hat es die Fenster eingeworfen, und so hoch das es an die Mitte der Tafel gestanden, man bedenke wen dieses bey Nachtzeiten wäre geschehen, wäre es viel schlimmer gewesen, und hat das mahl daß waßer so es seinen Strich her genommen unsählig verlust an Menschen Vieh und Gütern denen es betroffen Schaden gethan. Weil aber die ehrl. Schneidergilde, den Schaden des Thurms so daß waßer gethan nicht wieder können noch wollen machen laßen, sondern der Rath, also ist damahls ihre Gerchtigkeit und Freyheit an den Rath gefallen."
Beste Grüße
Bergmönch
.... Sonnabend frühe um 3 Uhr den 31 Febr. um 10 Uhr ist darauf der Harzeburgsche Teufel aus gebrochen,
Bergmönch
Hallo Bergmönch,
31. Februar ??
Das war wohl noch vor der Kalenderreform ?
Bergmönch
09.06.2012, 16:19
Hallo Bergmönch,
31. Februar ??
Das war wohl noch vor der Kalenderreform ?
Über das Datum bin ich auch gestolpert, es passt nämlich auch nicht zu der Aussage "Dieses Jahr im Herbste ...". Vielleicht wird ja hier auf ein Frühjahrshochwasser im gleichen Jahr Bezug genommen.
Mit der Kalenderreform könntest Du vielleicht beinahe recht haben. In protestantischen Gegenden wurde der Gregorianische Kalender erst nach dem Reichstag zu Regensburg 1699 übernommen. Das Ereignis, das Brandes beschreibt lag vor diesem Jahr. Da es jedoch weder im julianischen noch im gregorianischen Kalender einen 31. Februar gibt, handelt es sich hier vermutlich um einen Umrechnungs- oder schlicht Schreibfehler.
Beste Grüße
Bergmönch
Bergmönch
02.04.2014, 16:57
Zu diesem Thema hat sich noch ein Nachtrag ergeben:
Ich habe den Auszug aus dem Theatrum Europaeum Ulrich Albers zur Kenntnis gegeben. Er hat dazu auch verschiedene Unterlagen in seinen Beständen gefunden. Das Hochwasser war so extrem, weil nach tagelangen Regenfällen der Damm des Herzberger Teiches durchgeweicht war und brach. Ich erhielt auch den Hinweis auf eine historische Hochwassermarke im Großen Heiligen Kreuz. Die war mir doch tatsächlich nie aufgefallen! Wie blind läuft man eigentlich durch die Welt?!
https://farm4.staticflickr.com/3824/13582374295_ca4334240d_b.jpg
Beste Grüße
Bergmönch
Goslärsche
03.04.2014, 07:49
Vielen Dank für diesen interessanten Bericht an Bergmönch. Genau dieser Dammbruch war gerade vor 2 Tagen ein intensives Thema im Bekanntenkreis!
Zufällig, aber bemerkenswert finde ich diese Zahlenkombination: 1561 Anlage des Herzberger Teiches als Wasserspeicher, um für wasserarme Zeiten Aufschlagwässer für die Wasserräder zu bevorraten, durch Heinrich den Jüngeren und den Rat der Stadt. 1651 bricht der Damm.
Früher wie heute lassen sich in wiederkehrenden Zeitfenstern auftretende meteorologische Phänomene nachvollziehen, wie z. B. nicht von Ungefähr betitelte "Jahrhunderthochwasser" mit ihren anhaftenden Katastrophen für Land und Leute.
Glückauf! Goslärsche
Peter2809
11.05.2020, 19:59
.. antworte aus dem Kopf heraus: die Monatsnamen, so wir sie heute kennen, haben nicht schon immer so existiert. Oft wurden einzelne Monatsnamen mehrfach gewechselt. Irgendwann gab es die Kalenderanpassungen - Jahresanfang und Jahresende waren vorher unterschiedlich. Auch mit der Anzahl der Monatstage kam man sich ins Gehege; vielleicht hat man von daher dem Februar einmalig?
31 Tage zugeschrieben. Heutzutage gibt es alle 4 Jahre ein Schaltjahr. 1 Tag mehr im Kalendermonat Februar ( 29.) soll die Abweichung
unserer Jahres-Zeitmessung ausgleichen.
LG Peter
märklinist
18.05.2020, 15:56
Hallo in die Runde,
das sind hochinteressante Berichte, und wie man sieht solch Katastrophen hat es schon immer gegeben und die Menschen wurden härter getroffen als heute im hochtechnischen Zeitalter. Klar, natürlich Bürger Goslars, die 2017 um die 80 Jahre waren konnten sich natürlich an ein vergleichbares Geschehen wie im Juli 2017 nicht erinnern das Goslar jemals so heftig getroffen wurde. Nun sieht man, das es leider doch schon vorgekommen war. Damals gab es keine große Feuerwehr mit modernen Gerätschaften, kein THW usw., da waren die Menschen mit ihrem Schicksal auf sich gestellt, von Versicherungen ganz zu schweigen.
Der Mensch muss sich halt der Naturgewalt fügen, denn sie ist im deutlich überlegen, man kann halt nur Vorsorge treffen, aber niemand weiß wann die nächste Flut kommt, aber sie wird irgendwann kommen.
Keinesfalls möchte ich den Klimawandel in Frage stellen, den es ja so nicht gibt, denn richtigerweise muss man sagen wir erleben eine beschleunigte Klimaveränderung, die von uns Menschen gemacht ist, Klimawandel ist was ganz natürliches und hat es schon immer gegeben.
Gruß aus Bad Harzburg
der märklinist
Ureinwohner
19.05.2020, 14:35
Hallo in die Runde,
das sind hochinteressante Berichte, und wie man sieht solch Katastrophen hat es schon immer gegeben und die Menschen wurden härter getroffen als heute im hochtechnischen Zeitalter. Klar, natürlich Bürger Goslars, die 2017 um die 80 Jahre waren konnten sich natürlich an ein vergleichbares Geschehen wie im Juli 2017 nicht erinnern das Goslar jemals so heftig getroffen wurde. Nun sieht man, das es leider doch schon vorgekommen war. Damals gab es keine große Feuerwehr mit modernen Gerätschaften, kein THW usw., da waren die Menschen mit ihrem Schicksal auf sich gestellt, von Versicherungen ganz zu schweigen.
Der Mensch muss sich halt der Naturgewalt fügen, denn sie ist im deutlich überlegen, man kann halt nur Vorsorge treffen, aber niemand weiß wann die nächste Flut kommt, aber sie wird irgendwann kommen.
Keinesfalls möchte ich den Klimawandel in Frage stellen, den es ja so nicht gibt, denn richtigerweise muss man sagen wir erleben eine beschleunigte Klimaveränderung, die von uns Menschen gemacht ist, Klimawandel ist was ganz natürliches und hat es schon immer gegeben.
Gruß aus Bad Harzburg
der märklinist
Hallo
Märklinist
Danke für deinen schönen Bericht.
Aber ob es am Klimawandel liegt sei dahin gestellt.Geregnet hat es schon immer.
Ich wohne direkt an der Abzucht (bin hier 1956 in dem Haus geboren)und bin ziemlich getroffen worden.
Die Schäden konnte ich mangels Finanzmängel leider bis heute immer noch nicht alle beheben.
Ich stand im Keller trotz schnell verlegter Sandsäcke bis fast zur Hüfte im Schmutzwasser.
Ich kann nur hoffen,das es in meiner noch übrigen Lebenszeit nicht noch mal vorkommt.
LG
Hans-Jürgen
Peter2809
19.05.2020, 20:52
Ich wohne direkt an der Abzucht (bin hier 1956 in dem Haus geboren)und bin ziemlich getroffen worden.
Die Schäden konnte ich mangels Finanzmängel leider bis heute immer noch nicht alle beheben.
Ich stand im Keller trotz schnell verlegter Sandsäcke bis fast zur Hüfte im Schmutzwasser.
Ich kann nur hoffen,das es in meiner noch übrigen Lebenszeit nicht noch mal vorkommt.
LG
Hans-Jürgen
Habe mich mal etwas schlauer gemacht: Es wird berichtet, daß bereits am Zusammenfluß Gose / Abzucht das Wasser über die Ufer getreten ist und dann den Weg des geringsten Widerstand durch Goslar hindurch bis in die Oker genommen hat. Durch mitgeführtes Treibholz, Sand und Steine ist der Wasserpegel rasant angestiegen. Niemand konnte diese Wassermassen aufhalten, verursacht durch den tagelangen Regen. Die Stadt Goslar benötigte
mehr als 2 Jahre, um alles wegzuräumen und Reparaturen vorzunehmen. Eine private dynamische Hausratversicherung und zusätzlich eine Naturgefahren ( Elementarschäden ) Versicherung können hilfreich sein, entstandenen Schaden zu beseitigen. Früher ist der Staat eingesprungen, das hat sich leider auch geändert. Ich bin froh, ein solches Lebenserlebnis nicht mitgemacht haben zu müssen und wünsche Dir alles Gute.
LG Peter
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