Kleine Stätten der Erinnerung
Auf dem Friedhofe des Goslarer Stadtteiles Hahndorf an der Försterbergstraße, welcher der ev.-luth. Kirchengemeinde St. Kilian Hahndorf gehört und auch in eigener Verantwortung von dieser verwaltet wird, befindet sich im Eingangsbereich unmittelbar gegenüber der Aussegnungshalle – einem einstigen Mausoleum – an einer kleinen Stützmauer eine schieferne Gedenktafel (50x100x5 cm). Auf ihr ist in eingeritzten Buchstaben zu lesen:
„Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft
Walter Krämer, 6. 11. 1941
Karl Peix, 6. 11. 1941
Henry-Jens Sörensen, 20. 10. 1944“
Von den beiden Erstgenannten wissen wir, dass sie als langjährige Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald in das Außenkommando Goslar gebracht worden waren. Weil man ihnen ein ganz bestimmtes Ziel verfolgte; in Buchenwald war Walter Krämer Revierkapo (=Häftlingsleiter der Krankenabteilung) und Karl sein Stellvertreter. Hier in Goslar, fern vom Stammlager, sollten sie ‚beseitigt’ werden, weil sie in Buchenwald gegenüber dem SS-Lagerleiter Koch „ungehorsam“ gewesen waren.
Walter Krämer wurde während einer Pause seines Arbeitskommandos in der Sandgrube auf dem Försterberg bei Hahndorf „auf der Flucht“ erschossen; die ‚Flucht’ war natürlich inszeniert. (Für diesen Vorgang gab es einen Augenzeugen!) Zum Küchenkommando im nahegelegenen Fliegerhorst abkommandiert und in einem abgelegenen Winkel fast zur gleichen Stunde wie sein Genosse Walter Krämer ist Karl Peix hinterrücks wie ein räudiger Hund abgeknallt worden.
Zum Baukommando Hannover gehörte der Däne Henry-Jens Sörensen, der eigentlich Häftling im Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg war. Ihn verließen seine körperlichen Kräfte infolge der schweren Arbeit bei schlechter und ungenügender Ernährung. Seine Grabstelle auf dem Hahndorfer Friedhof in unmittelbarer Nähe der Gedenktafel wurde von einer Hahndorferin – sie ist inzwischen fast 100jährig verstorben – über viele Jahre mit dem Grab ihrer Eltern nebenan betreut und gepflegt worden.
Trotz gesetzlich verbürgten „ewigen Ruherechts“ seit Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts ist sie – die Grabstelle – bei Neuordnungsarbeiten auf dem Friedhof in späteren Jahren widerrechtlich, unwissentlich (?) eingeebnet worden.
In der Nachbarschaft der Hugo-Remmert-Straße im Goslarer Stadtteil Jerstedt liegt in einem Straßenwinkel ein Findling mit einer mehrdeutiger Inschrift, die von einem symbolischen Kreuz, aus Stacheldraht dargestellt, unter-stützt wird:
„Vergesst nicht die Opfer der Willkür und Gewalt“
Der Text ist ganz allgemein gehalten, kann niemanden verletzen und von jedem akzeptiert werden, ist aber irgendwo nichtssagend. Zu allen Zeiten werden Menschen Opfer von Gewalt und Willkür; sie sollen deshalb niemals vergessen werden.
Längs der Grauhöfer Landwehr zwischen Stapelner Straße und Alte(r) Heerstraße erstreckt sich auf historischer Goslarer Gemarkung das Flurstück „Magdeburger Kamp“. Auf diesem Areal nordwestlich des Geländes des Fliegerhorstes warn dermaleinst die Baracken des Goslarer Außenkommandos des Konzentrationslagers Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar. Die Geschichte dieses Lagers ist von Bernhild Vögel in einem Aufsatz in ihrem Buch von 2002 „System der Willkür“ über das „Lager an der Landstraße“ ausführlich dargestellt.
Vor etlichen Jahren – am 21.6.2002 – hat der Verein Spurensuche Goslar e.V. am südlichen Ende dieses ‚Magdeburger Kamp’s unmittelbar an einem häufig begangenen Wanderweg - und auch von manchem Radfahrer benutzten Pfad – einen Gedenkstein errichten lassen. Die daran befestigte Messingplatte enthält die Inschrift:
„Hier befand sich 1940 – 1942 das Außenkommando Goslar des Konzentrationslagers Buchenwald.
Die Häftlinge mussten in der näheren Umgebung Zwangsarbeit leisten.“
Aus dem Text wird nicht deutlich, dass das Lager/Kommando in drei Phasen bestanden hat und dass das Klientel sich hauptsächlich aus Polen und – wie sie damals genannt wurden – Zigeunern zusammensetzte. Es wird auch nicht gesagt, dass diese Gefangenen vorwiegend in den unterschiedlichsten Arbeits-kommandos auf dem nahen Fliegerhorst und in den Sandkuhlen am Försterberg bei Hahndorf eingesetzt wurden, nicht aber in den Grauhof-Brunnen-Betrieben oder anderen Gewerbebetrieben.
Am 04. November 2004 übernahm das Goslarer Gymnasium C.-v.-Dohm- Schule vertraglich abgesichert vom Verein Spurensuche Goslar e.V. die Patenschaft für diese Anlage rund um den Gedenkstein und ihn selbst. Über dieses Ereignis hatte damals die lokale Presse ausführlich berichtet.
Autor: Wolfgang Janz