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Update 09.10.2017
Fliegerhorst im Blick behalten
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Ruhe geben wollen sie nicht. Auch wenn das Pro-Kasino-Bündnis den Abriss des Offiziersheims auf dem Fliegerhorst-Gelände nicht verhindern konnte, will es die weitere Erschließung des Geländes begleiten und vor allem dessen Historie aufbereiten und bewahren. „Weitere Aktivitäten des Bündnisses werden vorbereitet“, lassen die beiden Sprecher Dr. Donald Giesecke und Günter Piegsa wissen. Anfang 2018 werde ein Rundgang über das Gelände des ehemaligen Militärstützpunktes angeboten, wenn die Erschließung fortgeschritten ist und das gesamte Areal für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Unter „sachkundiger Führung“ sollen „dann der breiten Öffentlichkeit die Historie und die Besonderheiten vor Ort vorgestellt werden“. Zudem plant das Bündnis die Herausgabe eines „Reiseführers“ zum Erkunden des Fliegerhorst-Geländes.
Quelle: GZ
Gruß Toni
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Update 22.03.2022
Vergangenheitsbewältigung durch Abriss
Denkmalschutz mit zweierlei Maß? Während Goslar gerade über Fenster streitet, wurde vor fünf Jahren das Offizierscasino auf dem Ex-Fliegerhorst abgerissen.
Die Autoren Günter Piegsa und Dr. Donald Giesecke aus der Reihe der Kritiker erinnern daran.
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Während sich in der Altstadt von Goslar Denkmalschutz im Klein-Klein von Öffnungsrichtungen und Anstrichfarben von Fenstern zu verlieren droht, wurde vor fünf Jahren, im März 2017, im neuen Stadtteil Fliegerhorst mit Zustimmung des Landesamtes für Denkmalpflege das als Einzeldenkmal geschützte, völlig intakte Offizierscasino durch die Klosterkammer Hannover abgebrochen. Besonders irritierend: Die Klosterkammer als Sonderbehörde des Landes Niedersachsen versteht sich als Einrichtung, die mit dem Erhalt von hochrangigen Baudenkmalen Werte bewahrt und Identität stiftet. Das die Nazi-Aufrüstung dokumentierende Offizierscasino gehörte offenbar nicht zu dem Teil der Geschichte, an die Denkmalschutz zu erinnern hat.
Das Offizierscasino im Fliegerhorst lag parkähnlich eingebettet mitten im Wald – abgesetzt von den weiteren annähernd 100 Gebäuden für Verwaltung, Unterkunft und Technik. In die Schlagzeilen geriet es nach der Aufgabe des Bundeswehrstandortes Goslar im Jahre 2010 erst vier Jahre später, als im Zuge der beabsichtigten Nachnutzung der Abbruch des Gebäudes öffentlich diskutiert wurde.
Für einen Euro gekauft
In dem für einen Euro erworbenen östlichen Bereich des Fliegerhorstes engagierte sich die Klosterkammer mit einer konkreten Planung für gehobenen Wohnbedarf. Vorausgegangene Bemühungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und der Stadt Goslar, für das Offizierscasino eine adäquate Nachnutzung und dessen Erhalt zu erreichen, waren ohne Erfolg geblieben. Mit der Machtergreifung der NSDAP 1933 wurde massiv an der Stärkung der auf 100.000 Mann beschränkten militärischen Streitkräfte gearbeitet.
Dazu gehört neben der Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935 auch das Ignorieren des Verbots durch den Versailler Vertrag, Luftstreitkräfte aufzubauen. Im gesamten Gebiet des damaligen Deutschlands entstanden mehr als 200 Fliegerhorste. In Goslar konnten sich die Machthaber wie vielerorts eines 1927 errichteten zivilen Flughafens bedienen, diesen entsprechend erweitern und militärischen Forderungen anpassen.
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Ausgleich für fehlende Entspannung
Für ledige Offiziere wurde ein geschlossenes Ensemble am Rande des Fliegerhorstes errichtet. Mitten darin: das Casino, das den weitab vor der Stadt untergebrachten Soldaten einen Ausgleich für fehlende Entspannung außerhalb der Kaserne bieten und das Gemeinschaftsgefühl stärken sollte.
Dementsprechend repräsentativ wurde das Gebäude in Sandstein und verputztem Mauerwerk, stehenden Holzfenstern und schiefergedecktem Walmdach im Stil der Heimatschutzarchitektur ausgeführt und mit einem 200 Quadratmeter umfassenden und sechs Meter hohen Saal, Kaminzimmer, Lesezimmer, Wintergarten, Kameradschaftsraum und Küche als Vorzeigeobjekt ausgestattet. Neben der Geselligkeit diente das Gebäude bis zum Abzug der Bundeswehr offiziellen Anlässen wie Empfängen, Ehrungen, Feiern, Bällen, Kommandoübergaben und Verabschiedungen, Tagungen, Versammlungen, Vorträgen und den von der Öffentlichkeit Goslars gern besuchten Neujahrsempfängen und Standortbällen.
Schreiben nach Hannover
Im Zuge der Konversionsbemühungen wurde Ende 2014 bekannt, dass das Casino Verwertungsinteressen im Wege stehe – und daher aus dem Denkmalschutz entlassen werden solle. Noch im gleichen Jahr setzte sich der Geschichtsverein Goslar in einem Schreiben an den kürzlich verstorbenen Präsidenten der Klosterkammer, Hans-Christian Biallas, für den Erhalt des Casinos ein. Die Argumentation: Das für Goslars Geschichte des 20. Jahrhunderts wichtige Gebäude, zentrales Element des gesamten Fliegerhorstes, dürfe nicht der Abrissbirne zum Opfer fallen, sondern müsse als bauliches Zeugnis – sinnvoll um- und weitergenutzt – der Erinnerung und Mahnung dienen.
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Erfolglose Eingaben
Diese auch an die Stadt, das Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie das Landesamt für Denkmalpflege abgeschickte Eingaben blieben erfolglos. Einer Offenbarung gleich, kam das Antwortschreiben des damaligen Präsidenten des Landesamtes Dr.Stefan Winghart. Er teilte am 26. Januar 2015 mit: „Da die Klosterkammer keinen Zweifel daran ließ, dass sie, sollte der Erwerb nur unter der Voraussetzung der Erhaltung des Kasinogebäudes möglich sein, von ihrem Vorhaben abrücken würde, ein weiterer Investor auch nach mehrjährigen Bemühungen nicht in Sicht war und der Zustand vor allen Dingen der Kasernengebäude sich dem Punkt näherte, an dem eine Sanierung nicht mehr möglich gewesen wäre, war es nun Aufgabe der Stadt Goslar als Untere Denkmalschutzbehörde, zwischen dem Erhalt des Kasinos, dem Erhalt der Gesamtanlage oder dem endgültigen Verfall des Denkmals abzuwägen.“
Eine an den Präsidenten des Landtages am 11. September 2016 gerichtete Petition zum Erhalt des Offizierscasinos wurde im Februar 2017 – mit den Stimmen der Landtagsabgeordneten aus der Region – unter Verweis auf die Abwägung des Verlustes eines Denkmals gegenüber einem Stillstand der Entwicklung des gesamten Fliegerhorstes einstimmig abgelehnt.
1459 Unterschriften
Auch die zeitgleich durchgeführte Unterschriftensammlung zum Erhalt des Casinos, vorgenommen unter anderem vom Geschichtsverein, der Kameradschaft ehemaliger Goslarer Jäger, des Vereins Spurensuche Harzregion und der Stadtführergilde, die innerhalb weniger Wochen zu 1459 Unterschriften führte, stimmte die Verantwortlichen nicht um.
Die Klosterkammer nutzte eine Regelung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, wonach sie keine Genehmigungen für Eingriffe an Kulturdenkmalen bei den unteren Denkmalschutzbehörden einzuholen hat, genehmigte sich den Abbruch des Denkmals und begann im März 2017. Am 11. Mai verkündete die Goslarsche Zeitung: „Offizierskasino ist restlos verschwunden“.
Zum Hintergrund
„Abriss des Fliegerhorst-Casinos droht“ titelte die GZ am Silvestertag 2013. Ende März 2017 wurde es Realität. Trotz einer enormen Protestwelle, ausgelöst vor allem durch den Geschichtsverein und den Verein „Spurensuche Harzregion“, begann der Abbruch des Einzeldenkmals. Aus diesem Kreis rekrutieren sich die beiden Autoren Dr. Donald Giesecke und Günter Piegsa, die aus ihrer Warte auf die bewegte Zeit zurückblicken. Zwischen Ende 2013 und Frühjahr 2017 wurde mehrfach versucht, eine Nachnutzung für das Gebäude zu ermöglichen, was die Kosterkammer Hannover nicht müde wurde zu betonen. Im Mai 2014 hatte es einen Investorenwettbewerb gegeben, die Stadtverwaltung hatte zudem 25 mögliche Projektentwickler in ganz Deutschland kontaktiert – alles ohne Erfolg.
Nach Angaben der Klosterkammer-Immobilientochter Liemak aus dem Dezember 2016 hätte eine Standardsanierung des Offizierskasinos ohne Extras etwa fünf Millionen Euro gekostet. Hinzu wären demnach noch Betriebskosten von 50.000 Euro jährlich gekommen.
Summen, vor denen auch die Klosterkammer selbst zurückschreckte, die in ihrem Portfolio rund 800 Baudenkmäler besitzt und pflegt.
Quelle: GZ
Gruß Toni